Mittwoch, 29. Oktober 2014

Persönlicher Messebericht von Jenni

Golden streifen die letzten Strahlen der Nachmittagssonne die roten Häuserdächer Villingens. Es ist Samstag, längst ist der vormittägliche Trubel durch die Gassen und in die Cafés der historischen Altstadt geschwappt. Während sich die Sonne als orangerote Kugel hinter dem Horizont verkriecht, treten nun auch die letzten Stadtbummler den Heimweg an. Vereinzelte Pärchen schlendern noch über das Kopfsteinpflaster, als es langsam dunkel wird. Irgendwo bellt ein Hund, als wolle er die Kälte des Herbstabends vertreiben.

Doch nicht alle zieht es nach Hause: Zwei junge Männer Ende 20 eilen im Stakkato-Schritt durch die Häuserzeilen der Gerberstraße. Ihr Ziel: die Neue Tonhalle am Rande der Altstadt. Dort findet zum ersten Mal die zweitägige Whisky-Messe „Hall of Angels’ Share“ statt. Im letzten Tageslicht kündigt sich die Messe schon von weitem an: Zwischen weißen Pavillons stehen zum Teil nur mit T-Shirts bekleidete Whisky-Fans, vor allem Männer. Auch Kilt-Träger sind darunter. Sie scheinen nicht zu merken, dass die Wärme des Tages längst verflogen ist. In kleinen Grüppchen fachsimplen sie über den goldfarbenen Inhalt ihrer Whisky-Gläser, scherzen und lachen.

In der Halle empfängt eine wohlige Wärme den Besucher – und der unverwechselbare Geruch von Whisky. Schwer hängt das Gemisch aus phenolhaltigem und süßlichem Whisky-Dunst über den Köpfen der Messegäste. Über 1000 Destillate stehen an den mit den Tartan-Stoffen dekorierten Ständen der rund 30 Anbieter zum Tasting bereit. Da ist es schwer, sich zu entscheiden, welcher Dram als nächstes in den Snifter soll. Viele Besucher starten daher am Stand des Veranstalters „Wein Riegger“, welcher prominent auf der Bühne am Ende der Halle thront. Denn dort gibt es die Messeabfüllung, einen 15-jährigen Glenfarclas, der sich wegen seines ausbalancierten Geschmacks aus Vanille- und Fruchtnoten schnell zu einem der meistgetrunkenen und –gekauften Whiskys des Wochenendes entwickelt. Aber auch der im Amarone-Fass gereifte 15-jährige Miltonduff, der wegen seiner Farbe auch für einen leichten Rotwein gehalten werden könnte, entfacht die Neugierde der Whisky-Fans. Und so ist das Gedränge um den Stand der „Riegger’s Selection“ besonders groß. Dass es trotzdem kein heilloses Durcheinander gibt, liegt an den vielen Helfern vom Villinger Whisky-Club „Black Forrest“, die unermüdlich Auskunft über die schottischen, irischen und amerikanischen Destillate geben und die Gäste mit dem gewünschten Dram versorgen.

Obwohl an beiden Messe-Tagen insgesamt rund 3600 Menschen zur „Hall of Angels’ Share“ strömen, ist es zu keinem Zeitpunkt zu eng zwischen den Ständen. „Wir wollten nicht, dass es so ein Gedränge gibt wie auf der Whisky Fair in Limburg“, sagt Olaf Lauinger, der die Messe zusammen mit seinem Bruder Uwe Lauinger organisiert hat. Tatsächlich ist genug Platz da, um mit Freunden im Kreis zu stehen und den eigenen Dram in kleiner Runde zu verkosten. „Allein würde ich nie auf die Idee kommen, einen Whisky zu trinken“, sagt die Villingerin Marianne, die zum ersten Mal auf einer Whisky-Messe ist, „aber in geselliger Atmosphäre macht das richtig Spaß.“
Dass es in der „Hall of Angels’ Share“ so familiär zugeht, liegt auch daran, dass viele der Besucher aus Villingen und der Region kommen. So ist die Messe ein Ort des Sehens und Gesehenwerdens – auch für den Villinger Jan, der den Heimvorteil zu nutzen weiß: „Ich war heute Morgen schon hier und habe ein paar Drams getrunken“, erzählt er. „Danach bin ich nach Hause gegangen, habe etwas gegessen und dann den Hund Gassi geführt. Jetzt bin ich wieder hier.“ Dabei hat Jan, wie viele Whisky-Fans, sein ganz persönliches Tasting am morgen mit süßen Bränden begonnen und sich zwischenzeitlich zu den getorften Abfüllungen durchprobiert. Gerade schwenkt er 2 cl des AnCnoc Cutter in seinem Snifter, welcher trotz eines Rauchgehalts von 20,5 ppm im Abgang sehr fruchtig daherkommt.

„Vom AnCnoc Cutter haben wir heute schon drei Flaschen ausgeschenkt“, weiß Gordon Bruce am nahegelegenen Stand zu berichten. Mit einem Kilt bekleidet steht der Distillery Manager von AnCnoc den Besuchern in bestem schottischen Englisch Rede und Antwort. Nicht ganz ohne Stolz betont er immer wieder, dass der Phenolgehalt des Cutters erst im Destillat gemessen werde und nicht – wie etwa beim Ocotmore von Bruichladdich – vor dem Destillationsprozess.

Aber auch für den süßen Gaumen wird einiges geboten: Um den Fudge-Stand von Karsten Ebert aus Bielefeld drängen sich ununterbrochen Menschen, die ihre Papiertüten mit den quadratischen Stückchen der klebrigen Kreuzung aus Karamell und Fondant füllen. Und auch die „Rum Lounge“ im ersten Stock ist gut besucht. Hier kann man sich durch verschiedene Abfüllungen probieren oder es sich in einem der großen Sessel bequem machen, die von einem lokalen Möbelhändler zur Verfügung gestellt worden sind. Aber Vorsicht: Wer dort einmal mit einem Dram im Snifter Platz genommen hat, steht so bald nicht wieder auf!

Und so vergehen die Stunden auf der ersten „Hall of Angels’ Share“ wie im Zeitraffer. Draußen zeichnet sich längst die schmale Sichel des Mondes skizzenhaft vom schwarzen Abendhimmel ab, als die letzten Messebesucher die Tonhalle verlassen. Viele sind sich sicher: Sie werden wiederkommen, zur nächsten „Hall of Angels’ Share“ am 24. Und 25. Oktober 2015.

- Jenni

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